Der Diener zweier Herren

Zum Stück


Komödie in drei Akten
nach der Mundartfassung von Peter Leu

Truffaldino, Diener von Beruf und immer hungrig, verdingt sich gleich bei zwei Herren. Dass diese voneinander nichts wissen dürfen, ist für ihn ein Spiel, für die beiden aber fatal. Denn diese, Florindo und Federigo, suchen sich - und sind in Wirklichkeit Florindo und Beatrice, die ihren eigenen Bruder spielt.
Doch dies ist nur die Hälfte des Verwirrspiels. Mit Beatrices Verkleidung als Mann ist eine weitere Tragödie verbunden: Clarice, venezianische Kaufmannstochter, verlobt sich nämlich gerade glücklich mit Silvio, als der besagte verkleidete Federigo, mit dem sie ursprünglich verlobt war, auftaucht und ihre Verbindung mit Silvio zu zerstören droht.

Wie in der Commedia dell'arte üblich, sind die liebenden Paare Spielball einer Intrige und durchleben in kurzer Zeit ein Wechselbad der Gefühle. Natürlich lassen sich die Missverständnisse schliesslich klären und münden in das obligatorische Happy End: Clarice bekommt ihren Silvio, Beatrice findet den geliebten Florindo wieder, und sogar Truffaldino verlobt sich zum Schluss mit Clarices Dienstmädchen Smeraldina.

Unter der Leitung der Profiregisseurin Barbara Bircher spielt das Ensemble Reflexe den beliebten Bühnenklassiker von Carlo Goldoni in einer schweizerdeutschen Fassung.

Das aus der Commedia dell'arte stammende Stück lebt zweifellos von seinem komödiantischen Gehalt. So darf man beispielsweise mit diebischem Vergnügen mitverfolgen, wie der gewitzte Truffaldino um jeden Preis verhindern muss, dass seine beiden Herren einander begegnen, wie er es schliesslich hinbekommt, beide in neben einander liegenden Zimmern mit einem mehrgängigen Mittagessen zu bedienen und dabei noch - endlich! - ein paar Bissen für den eigenen hungrigen Magen abzuzweigen. Zwischen allen Stühlen sitzend und an sämtlichen Fronten kämpfend gelingt es dem liebenswerten Diener immer wieder, mit heiler Haut aus diesen Verwicklungen herauszukommen und dadurch die Sympathien im Publikum zu erlangen.

Aber auch die anderen Figuren des Stücks werden als Träger zutiefst menschlicher Eigenschaften für die Zuschauer plastisch und 'einsehbar', sei es in ihrem Selbstmitleid, ihrer Eifersucht, Macht- oder Habgier oder in ihrem schlichten Kampf um aufrichtige Liebe und Treue.

Carlo Goldoni

Goldoni lebte von 1707 bis 1793 und gilt als großer Erneuerer der italienischen Komödie. Ursprünglich Advokat, wandte er sich der Dramendichtung zu und schrieb über 150 Bühnenstücke. Sein grosses Vorbild war der französische Dramatiker Molière. Goldoni lebte mehrheitlich in Venedig.

Commedia dell'arte

Diese volkstümliche Theatertradition entstand im ausgehenden 16. Jahrhundert auf den Jahrmärkten Italiens. Es handelt sich dabei um ein Stegreifspiel, in dem die Schauspieler auftraten, ohne einen Text auswendig gelernt zu haben.

In einer Art Fahrplan wurden vor der Vorstellung die groben Handlungsstränge, also die Intrigen, festgelegt. Ebenfalls festgelegt waren die typischen Figuren, die in jedem Schauspiel dieselben waren: Pantalone, Dottore, Brighella, Arlecchino (auch Truffaldino genannt), Colombina (auch Smeraldina genannt). Sie wurden mit charakteristischen Masken gespielt. Ziel ihrer Intrigen waren die sogenannten Innamorati, die Verliebten, welche nicht maskiert dargestellt wurden. Diese mussten sich allen möglichen Verwirrungen oder Missverständnissen, und damit einem Wechselbad der Gefühle, unterziehen. Löste sich die Intrige auf, war auch das Spiel zu Ende.

Die Inszenierung

Mit der Entscheidung für den 'Diener zweier Herren' von Goldoni folgt Barbara Bircher der Idee, den Zuschauern klassisches Stückgut auf der Basis des Volkstheaters zu präsentieren.

'Der Diener zweier Herren' eignet sich wie kaum eine andere klassische Komödie für das Amateurtheater. Aus der Commedia dell'arte stammend eröffnet das Stück vielfältige Spielmöglichkeiten – witzige, groteske, skurrile, clowneske – und bietet damit einen hervorragenden Rahmen zur freien Entfaltung der einzelnen Darstellerinnen und Darsteller.

Für die Regisseurin heisst das, dass das geschriebene Stück beim Einstudieren nur einen Teil der Grundlagen ausmacht. Ein weiterer und vielleicht wichtigerer Teil besteht aus den Persönlichkeiten der Mitwirkenden. Und darin sieht sie die eigentliche Chance einer besonderen und vor allem unverwechselbaren Inszenierung dieses doch recht bekannten Klassikers.

Nachdem in der Tradition der Commedia dell'arte herkömmlicherweise Masken verwendet wurden, verzichtet Barbara Bircher bewusst auf dieses Mittel. Die Karikierung der Figuren will sie dadurch erreichen, dass die für jede Rolle typischen Charaktermerkmale gezielt herausgearbeitet und pointiert werden. Auch auf die historischen Kostüme soll zugunsten einer phantastisch-verspielten Aufmachung, die mit Commedia-Zitaten versehen ist, verzichtet werden.

Die personelle Zusammensetzung des Ensembles hat die Regisseurin zu dem eher ungewöhnlichen, aber durchaus Commedia-tauglichen Kunstgriff veranlasst, zwei typische Männerrollen in Frauenrollen umzuwandeln. Wo also normalerweise die beiden einflussreichen Venezianischen Bürger Pantalone und Dottore ihre Intrigen spinnen, sind hier zwei ihnen charakterlich ähnliche Witwen am Werk.

Nicht zuletzt kommt natürlich dem flexiblen, nicht-realistischen Bühnenbild eine zentrale Bedeutung zu. Der mehrfache und variationsreiche Umbau der Kulissenelemente geschieht nicht im Dunkeln, sondern bildet eine zusätzliche Spielebene, auf der die Handlung wiederum kommentiert werden kann.

Neben all diesen inszenierungstechnischen Aspekten steht allerdings ein phantasiebetonter, lustvoller Erarbeitungsprozess im Vordergrund. Denn bekanntermassen ist es die Spielfreude, die schliesslich die Theaterbesucher in den Bann zieht.

Gedanken zur Regie

Mit der Gründung des Ensemble Reflexe verbindet Barbara Bircher das Bestreben, den Brückenschlag zwischen traditionellem Vereinstheater, wie es noch auf vielen Dorfbühnen zu finden ist, und dem modernen professionellen Theater der letzten zwanzig Jahre zu realisieren. Dies soll ein Schritt sein, der nach ihrer Auffassung gleichermassen von Mitwirkenden als auch von Zuschauern dankbar gegangen wird und der dem auch im Laientheater stattfindenden Generationenwechsel Rechnung trägt. Ohne mit der Kraft des Herkömmlichen zu brechen, sucht sie nach einer experimentellen Herangehensweise, die durchaus den Mut voraussetzt, sich beispielsweise von der verstaubten Kulissen-Ästhetik zu verabschieden.

Diese Weiterentwicklung des Amateurtheaters möchte sie beispielsweise dadurch erreichen, dass beim Proben nicht in erster Linie vom gesprochenen Wort ausgegangen wird, sondern von den zugrundeliegenden Motivationen und Handlungen der Figuren. Dies erfordert bei den meisten Akteuren ein Umdenken, führt aber zugleich zu ungeahnten schauspielerischen Möglichkeiten - und vor allem weit weg vom Textaufsagen.

Trotz genauer Einstudierung von Handlungsabläufen bleiben da und dort bewusst Freiräume für improvisiertes Spiel. Dies fordert von den Darstellerinnen und Darstellern ein wirkliches Verschmelzen mit der Rolle und lässt zweifellos den Funken auch in den Zuschauerraum überspringen.

Dass das Ensemble Reflexe zur Zeit ein Wandertheater ist, hat zweierlei qualitative Vorteile: Zum einen werden die Auftritte unverfälscht gespiegelt von einem grösstenteils unbekannten Publikum, so dass die Truppe von keinem Heimspielvorteil profitiert. Zum andern ist das Theater gezwungen, sich mit einem mobilen Bühnenbild zu begnügen, das durch seine Einfachheit zum eigenständigen Stilmittel wird und somit die spielerische Phantasie beflügelt.

Mitwirkende

Von links nach rechts: Th. Neumaier, B. Bircher, A. Leuenberger, A. Persoz,
P. Wenger, D. Thommen, S. Thommen, A. Bernet, T. Hunziker, H. Schopfer,
K. Zürcher, N. Wehinger-Späne, E. Hofer


Signora de Bisognosi - Helen Schopfer
Clarice - Sarah Thommen
Signora Lombardi - Esther Hofer
Silvio - Alain Bernet
Beatrice alias Federigo Rasponi - Katja Zürcher
Florindo Aretusi - Adrian Leuenberger
Signore Brighella - Peter Wenger
Smeraldina - Nadine Wehinger-Späne
Truffaldino - Toni Hunziker


Regie - Barbara Bircher
Bühnenbild - Theodor Neumaier
Regieassistenz - Denise Thommen
Kostüme - Barbara Bircher / Silvia Lang
Maske - Nathalie Frey
Souffleuse - Anita Persoz

Publikumsresonanz

"Am Samstag besuchte ich eure Aufführung im Hotel Euler in Seewen. Ganz
herzlich möchte ich dir und deiner Gruppe zu dieser gelungenen Inszenierung
gratulieren. Die natürliche Spielfreude, die du aus den Augen und Herzen der
SpielerInnen herausgekitzelt hast, hat mich tief beeindruckt! Ich war auch
enorm erstaunt, wie du es geschafft hast, dass diese Freude immer wieder in
hohem Bogen ins Publikum rausgespielt wurde. Am Schluss des Abends hatte ich
das Gefühl, fast 3 Stunden lang auf unterhaltsame Weise mit freudigstem
Lebensmut beschenkt worden zu sein. Herzlichen Dank!" R. I. aus Liestal

"Das war d a s Theater, lebendig, frisch, frech, mit Improvisationen durchsetzt, dass es ein Genuss war, dabeizusein. Die Auswahl der Darsteller ist schlicht grossartig. Es fiel niemand ab und niemand spielte andere an die Wand, hervorragend. Es war für uns ein Theatervergnügen, wie man es selten geniessen kann. Die Idee mit dem Bühnenarbeiter und -bild war sehr spannend und hat zum Gelingen einiges beigetragen." E. T. aus Lausen

Fotos der Proben

Fotos der Premiere